Herr Blume, was entgegnen Sie Porsche Fans, die in der
Elektromobilität einen Irrweg sehen?
Oliver Blume: Dass die Elektromobilität mit ihrer hohen Effizienz und überragenden
Performance-Werten bestens zu Porschepasst. Und ich verweise auf unsere guten
Erfahrungen mit Plug-in-Hybriden: Porsche war der erste Hersteller, der
sie in drei Premiumsegmenten gleichzeitig angeboten hat.
Beim Panamera entscheiden sich bereits mehr als 60 Prozent der Kunden in
Europa für einen Plug-in-Hybrid.
Überrascht Sie diese hohe Nachfrage?
Blume: Keineswegs. Wir haben die Plug-in-Hybrid-Varianten als
High-Performance-Fahrzeuge ausgelegt. Beim Panamera sogar als Top-Modell
der Baureihe. Damit sind unsere Plug-in-Hybride alles andere als Verzichtfahrzeuge.
Hatten die strenger werdenden CO₂-Grenzwerte und das Pariser
Klimaschutzabkommen Einfluss auf Ihre Entscheidung,Porsche zu einer
Elektromarke zu machen?
Blume: Eines vorweg: Porsche ist und bleibt eine Sportwagen-Marke - mit
Benzinmotoren und Elektroantrieben. Und wir bekennen uns zu den Pariser
Klimaschutzzielen, ohne Wenn und Aber. Schließlich stehen wir als Autobauer ganz
klar in der Verantwortung, die CO₂-Emissionen im Verkehr zu reduzieren. Auch wenn
unser Marktanteil als Premiumhersteller sehr klein ist, kommt es für meine
Vorstandskollegen und mich nicht in Frage auf andere zu zeigen. Wir verstehen die
Strahlkraft unserer Marke vielmehr als Auftrag, mit gutem Beispiel voranzugehen.
Vor diesem Hintergrund gab es für Sie keine andere Entscheidung als die
Elektromobilität?
Blume: Damit Fahrzeuge lokal CO₂-frei fahren, haben wir als Hersteller 3
Möglichkeiten: Elektromobilität, Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe. In der
Well-to-Wheel-Betrachtung, die die Gesamtenergiebilanz von der Herstellung des
Kraftstoffs bis zur Fortbewegung des Fahrzeugs im Blick hat, ist die E-Mobilität
dem Wasserstoff um ein Dreifaches überlegen, den synthetischen Kraftstoffen um ein
Sechsfaches. Mit der fortschreitenden Entwicklung von Batterien wird dieser Vorteil
sogar noch größer ausfallen. Für einen Sportwagen-Hersteller
wie Porsche sind das überzeugende Argumente - ganz abgesehen von den
überragenden Leistungsdaten, die sich mit einem Elektroantrieb erzielen lassen.
Die EU hat die CO₂-Grenzwerte bis 2030 verschärft, die eine Reduktion von
35 Prozent vorsehen. Gehören Sie auch zu denen, die dieses Ziel als
überambitioniert ansehen?
Blume: Ich halte diese Werte auch für extremambitioniert. Aber wir müssen sie
schaffen, um die Klimaziele zu erreichen. So viel steht fest. Für die politische
Diskussion würde ich mir jedoch wünschen, dass die Akteure mehr Expertise
hinzuziehen und die Realisierbarkeit der gesetzten Ziele im Auge behalten. Für uns
als exklusiver Hersteller, der nur in wenigen Premium-Segmenten aktiv ist, bin ich
zuversichtlich, dass wir die Grenzwerte bis 2030 erreichen und womöglich sogar
übererfüllen können. Porsche steht zu diesen ambitionierten Zielen. Im
Volumensegment sind aber sehr viel größere Anstrengungen notwendig, um in der Kürze
der Zeit attraktive und nachhaltige Lösungen auf den Markt zu bringen und damit die
Kunden von der Elektromobilität zu überzeugen.
Sie sind gerade in Arjeplog den neuen Taycan unter
Kältebedingungen gefahren. Ist das Auto bereits das, was sie sich von ihm erwarten:
nämlich ein richtiger Porsche zu sein?
Blume: Definitiv! Das sagen sogar meine Fahrwerkskollegen, die nur sehr schwer
zufriedenzustellen sind und mit ihrer kritischen Haltung Porsche dorthin
gebracht haben, wo wir heute stehen: Sie sind mit leuchtenden Augen und einem
breiten Grinsen aus dem Taycan ausgestiegen.
Haben auch Ihre Augen geleuchtet?
Blume: Und wie! Ich bin absolut begeistert von diesem Fahrzeug. Es fährt sich
fantastisch.
Können Sie nachvollziehen, dass für viele Porsche Kunden der Weg
in die Elektromobilität einen Kulturschock darstellt?
Blume: Das ist uns bewusst. Aber ich kann sie beruhigen: Auch in einem rein
elektrisch angetriebenen Porsche werden sie all das vorfinden, was sie
von unserer Marke erwarten - eine extrem sportliche Fahrdynamik, überragende
Performance-Werte und, nicht zuletzt, sehr viel Emotionalität. Ich bin fest davon
überzeugt: Je attraktiver die Produkte sind, desto schneller wird die
Elektromobilität an Akzeptanz gewinnen. Um jedoch auch weiterhin jedem Kunden das
bieten zu können, was er sich von unserer Marke wünscht, setzen wir für die Zukunft
auf 3 Antriebsarten: weiter optimierte Benziner, fortschrittliche Plug-in-Hybride
und die reine Elektromobilität.
Wie fällt denn das erste Feedback auf
den Taycan aus?
Blume: Hervorragend. Wir sind überwältigt von der Nachfrage nach diesem Fahrzeug,
das die Kunden bislang noch nicht einmal gesehen haben. Das zeigt den großen
Vertrauensvorschuss, den uns die Kunden entgegenbringen. In Norwegen gibt es
bereits 3.000 Vorbestellungen für den Taycan.
Verraten Sie, wie die Resonanz weltweit genau
ausschaut?
Blume: Vorbestellen kann man den Taycan noch nicht. Im Rahmen eines
Depositor-Programms kann man jedoch für 2.500 Euro sein Kaufinteresse bekunden.
Weltweit haben das bereits um die 20.000 Kunden getan. Das liegt deutlich über dem,
was wir erwartet haben. Normalerweise geht der Run erst dann los, wenn es die
ersten Fahrberichte gibt, wenn das Fahrzeug vorgestellt wird und man sich
reingesetzt hat.
Was bedeutet diese große Nachfrage für die Lieferzeiten? Denn geplant
hatten Sie bisher jährlich mit nur 20.000 Einheiten.
Blume: Angesichts der großen Nachfrage werden wir unsere Produktionskapazitäten
erhöhen. Sollte es zu Wartezeiten kommen, wird es Möglichkeiten geben, den Kunden
an den Taycan heranzuführen. Beispielsweise könnten wir ihm vorübergehend
einen Panamera Plug-in-Hybrid zur Verfügung stellen, bevor er
einen Taycan bekommt. Wir warten jetzt aber erst einmal den
Produktionsstart ab, ehe wir über konkrete Lieferzeiten sprechen.
Sie werden auch zur Verkürzung der Lieferzeiten keine vorkonfigurierten
Fahrzeuge anbieten?
Blume: Nein, wir werden keine Fahrzeuge von der Stange bauen. Jeder Kunde bekommt
genau das Fahrzeug, das er möchte.
Verraten Sie, in welcher Preisspanne sich der Taycan bewegen
wird?
Blume: Wir werden den Taycan mit zwei Batterie-Größen anbieten, wobei wir
mit dem größeren Package beginnen. Die Einstiegsvariante mit der kleineren Batterie
wird bei unter 100.000 Euro beginnen. Und wie bei unseren Verbrennern wird es auch
beim Taycan viele attraktive Extras geben.
Wie viele Elektroautos wird es denn bis 2025 von Porsche geben
neben dem Taycan und Macan, der gerade beschlossen
wurde?
Blume: Mit dem Cross Turismo wird Anfang des nächsten Jahrzehnts das
erste Derivat des Taycan in Serie gehen. Und wie Sie schon sagen: Die
neue Generation des Macan wird rein elektrisch fahren. Darüber hinaus
gibt es noch keine weiteren Beschlüsse. Doch Sie können davon ausgehen, dass wir
bereits viele gute Idee haben, wie wir die Mobilität der Zukunft gestalten -
sportlich, nachhaltig und Porsche typisch.
Text erstmalig erschienen in "autogazette.de".